Gemeinwesenarbeit lud Netzwerkpartner zum Themennachmittag mit FIM e.V. ein
Jede dritte Frau erlebt in Deutschland Gewalt in Partnerschaft und dies quer durch alle Gesellschaftsschichten. Demzufolge sind auch in Butzbach Frauen von häuslicher Gewalt betroffen. Um dem professionell zu begegnen und für die Thematik auf Einrichtungsebene zu sensibilisieren, lud die städtische Gemeinwesenarbeit im Degerfeld Netzwerkpartner zu einem Informations-Themennachmittag ein. Die Gemeinwesenarbeit hatte bereits Akteure aus dem Quartier im ersten Halbjahr zum Netzwerkaustausch an einen Tisch gebracht und dabei das Interesse einer Informationsveranstaltung abgefragt. Nun versammelten sich 12 Mitarbeitende aus Krippen und Kitas aus dem Degerfeld, ebenso wie die Degerfeldschule und Schulsozialarbeit. Von den Frühen Hilfen war eine Familienhebamme vertreten und auch Mitarbeiter der Flüchtlingssozialarbeit nahmen an dem Nachmittag teil, ebenso wie die Gruppenbetreuerin des Mädchentreffs aus dem Haus Degerfeld.
Input gab es von FIM e.V. (Frauenrecht ist Menschenrecht) aus Frankfurt. Mit diesem Träger kooperiert die Gemeinwesenarbeiterin Carolin Wirtgen bereits seit Jahren in maßgeschneiderten Austauschformaten für zugewanderte Frauen und Männer, auch im Sinne der Gewaltprävention und Umsetzung von Frauenrechten. Aus der Praxis zeigte sich immer wieder in den letzten Jahren, dass es einen Bedarf an Hilfsangeboten bei häuslicher Gewalt gibt, bzw. dass professionell Arbeitende für die Thematik sensibilisiert werden.
Was ist häusliche Gewalt? stand zu Beginn des Nachmittages im Raum. Formen und erste Anzeichen für Außenstehende wie etwa Freunde, Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter oder Hebamme wurden dargestellt. Die Referentin Gina Aguila stellte die Gewaltspirale dar, in der sich betroffene Frauen befinden. Genauso wurden Ansprachemöglichkeiten von betroffenen Frauen und das Angebot von Hilfe im Vortrag behandelt. Im Gespräch mit der Mitarbeiterin von FIM e.V. sowie der anwesenden Opferschutzkoordinierenden der Polizei Wetterau, Frau Pollesch tauschte sich das Netzwerk der Fachkräfte aus. Die Polizei konnte hier wichtige Hinweise zu Strafverfolgung liefern.
Die Gemeinwesenarbeit stellte eine Fülle an Material von Beratungsstellen und Angeboten in der Wetterau zur Mitnahme zur Verfügung und wies auf das Hilfesystem in der Wetterau. Zum einen können betroffene Frauen den Frauen Notruf Wetterau e.V. unter 06043-4471 kontaktieren oder auch die Beratungsstelle Frauen helfen Frauen e.V. mit ihrem Frauenhaus unter der Telefonnummer 06031-166773 erreichen. Die Polizei ist als eine erste Interventionsstelle 24 Stunden erreichbar. Diese Erreichbarkeit gilt auch für das bundesweite Hilfetelefon unter der Nummer 116 016: hier können sich Opfer oder auch Angehörige anonym Rat holen. Dies ist auch telefonisch mehrsprachig möglich und Informationen zu möglichen Hilfen werden hier vertraulich vermittelt. Denn die Menschen, die an diesem Nachmittag im Treffpunkt Degerfeld miteinander versammelt waren, sind unter Umständen die ersten Kontaktpersonen, denen gegenüber sich betroffene Mütter und Frauen anvertrauen oder deren Stelle gegenüber Verhalten auffällt. Daher ist es notwendig, Menschen die mit Frauen, Mädchen und Familien zusammen arbeiten für die Thematik zu sensibilisieren.
Die Anwesenden fragten sich nach den ernüchternden und negativen Berichten aus der Beratungspraxis, was sie tun könnten. Credo war: immer wieder ein offenes Ohr bieten, selber über Informationen zu Beratungsstellen verfügen und diese vermitteln. Einen Rahmen bieten, Hilfe zu vermitteln. Letztendlich ist es aber die Entscheidung der betroffenen Frau und in ihrer Verantwortung, den Teufelskreis aus Gewalt hinter sich zu lassen und den Schritt aus der gewalttätigen Beziehung zu gehen. Eine betroffene Frau benötigt im Schnitt sieben Anläufe von Trennung aus der gewalttätigen Beziehung.
Die Gemeinwesenarbeit stellte heraus, dass es notwendig ist, betroffenen Frauen Informationen von Hilfe und Unterstützung zugänglich zu machen. Außerdem kann ein geschützter Rahmen über örtliche Einrichtungen geboten werden, um sich im Gespräch mit Sozialarbeitern, Lehrern oder Erziehern Informationen zu erhalten, um sich an Beratungsstellen wenden zu können. Hier kann Schule und Kita einen wichtigen Beitrag leisten, Anzeichen wahr zu nehmen und eine Vermittlerrolle in Beratungsinstanzen zu übernehmen.
Außerdem verwies die Gemeinwesenarbeit auf das Hochwaldkrankenhaus als medizinische Notfallhilfe. In der gynäkologischen Ambulanz finden Frauen Notfallversorgung, etwa nach Vergewaltigung und anderen Gewaltübergriffen. Das Personal ist zudem geschult, Spuren zu sichern. Dies kann auf Wunsch anonym geschehen, etwa für eine spätere Strafverfolgung. Ob die Frauen den Weg der Strafverfolgung gehen wollen, müssen die Frauen in der Notsituation aber noch nicht entscheiden. Die Spuren können bis zu einem Jahr aufbewahrt werden. Die Ärzte vermitteln weiter an psychosoziale Beratungsstellen. Spuren sichert auch das forensische Konsil in Gießen. Hier können Gewaltbetroffene ebenfalls streng vertraulich Spuren sichern lassen, die für eine mögliche spätere Strafverfolgung genutzt werden können. Das Institut für Rechtsmedizin in Gießen bietet Opfern von Gewalt damit ebenfalls eine gerichtverwertbare Dokumentation der Verletzungen und ist erreichbar unter 0641-99 41411.
Carolin Wirtgen verwies auf das Hilfenetzwerk im Kreis und die vom Wetteraukreis zusammengefasste Broschüre mit allen wichtigen Informationen und Ansprechpartnern. Außerdem stellte der Nachmittag auch noch einmal dar, dass häusliche Gewalt auch immer eine Kindeswohlgefährdung ist und somit auch das Jugendamt zum Schutz der Kinder mit ins Boot kommt. Somit ist auch der Allgemeine Soziale Dienst vom Wetteraukreis für alle Personen und Institutionen, die eine Kindeswohlgefährdung wahrnehmen ansprechbar. Wildwasser e.V. ist adressiert, wenn es um sexualisierte Gewalt geht: Tel.: 06032-9495760. Pro familia bietet Angebote für Täter und männliche Opfer von häuslicher Gewalt an.
Der Themennachmittag zeigte einmal mehr, wie wichtig Vernetzung und ein Informationsaustausch ist, um adäquat Hilfe für Betroffene zu gewährleisten. Die Gemeinwesenarbeit arbeitet sozialraumorientiert und an den Bedarfen. In der Vergangenheit wurden bereits mehrfach Aufklärungsformate für Frauen im Quartier angeboten, nun richtete die Gemeinwesenarbeit an Multiplikatoren im Feld der sozialen Arbeit.
Die Gemeinwesenarbeit wird finanziert aus Mitteln der Stadt Butzbach und des Hessischen Sozialministeriums.