27.03.2023

Demokratikum-Veranstaltung geht unter die Haut

Mit Beteiligung von Schülern der Butzbacher Weidigschule fand im Museum unter dem Titel „Menschheit ohne Menschlichkeit“ eine weitere Veranstaltung des Reallabor-Demokratikum statt und füllte die „Industriehalle“ erneut mit mehr als 70 Gästen.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Michael Merle, der auch Karl Starzacher, den Vorsitzenden vom Landesverband des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, willkommen heißen konnte, brachte Michael Merle dem Publikum die letzten Worte des Gedenksteins für die Butzbacher Bombenopfer ins Gedächtnis. Dieser schließt mit den Worten „Nie wieder Krieg“, ein Satz, der sich durch die gesamte Veranstaltung zog. In seinen einleitenden Worten dankte er den Weidig-Schülern und überreichte einen Gutschein für die Schulbibliothek.

Der Tag der Veranstaltung und die mahnenden Worte waren nicht zufällig gewählt. Am 9. März jährte sich der Bombenangriff auf Butzbach, der die meisten Todesopfer forderte, zum 78. Mal. Die Erinnerungen an diesen Angriff sind Teil eines Zeitzeugenfilms der Butzbacherin Anneliese Funk, der sich als ersten Teil des Abends anschloss und auch in der Dauerausstellung des Museums zu sehen ist. Frau Funk berichtet darin eindrucksvoll von den Bombenangriffen auf die Stadt, von Einschlägen, den traumatischen Erlebnissen der damals Zwölfjährigen und den Folgen für ihr weiteres Leben, das sich von einer Sekunde auf die andere verändert hatte.

Andrea Schreiber-Guth, Fachbereichsleiterin des Weidig-Gymnasiums, führte das Publikum anschließend in den Anlass und das Werden der Schülertexte ein. Diese entstanden im vergangenen Jahr für die zentrale Gedenkveranstaltung des Volksbundes, die in der Frankfurter Paulskirche stattfand und an deren Mitwirken die Butzbacher Schülerschaft eingeladen worden war. Die Weidigschule betreibt seit langem eine Kooperation der älteren Jahrgänge mit der Kriegsgräberfürsorge, wie Frau Schreiber-Guth berichtete. In Gruppenarbeit hatten 15 Schüler ihre Gedanken in Gruppenarbeiten zu Papier gebracht. Ausgehend von Politikerzitaten, einem Gedicht oder der Frage nach Fake-News trugen die Jugendlichen diese dem Publikum vor. Sie sprachen das Publikum direkt an, stellten Fragen und gaben Denkanstöße, setzten auch manches Ausrufezeichen. Dabei machten sie deutlich, dass der mediale Umgang mit Krieg und den Kriegsberichten heute ein anderer ist als vor 80 Jahren, der durch die sozialen Medien eine Nähe zu den Geschehnissen herstellt und junge Menschen mitunter wesentlich stärker belastet. Die Frage danach, wie viel Menschlichkeit ein Krieg zulässt, wie viel eine Gesellschaft aber auch gleichzeitig benötigt und den Gräueln entgegenstellen muss, ob vom Kriege betroffen oder nur als Zuschauer. Dabei wurde aber auch nicht vergessen, dass es sich bei dem Ukrainekrieg nicht um den weltweit einzigen militärischen Konflikt handelt, mit dem Menschen umgehen und leben müssen und dass das heutige Europa dem Satz „Nie wieder Krieg“ aktuell nicht gerecht wird.

Im letzten Teil der Veranstaltung nahm sich Ulrike von Vormann der Nachkriegszeit Butzbachs an. Unter dem Titel „Nie wieder Krieg“ erinnerte sie sich an ihre Kindheit, die unter dem „Glück der späten Geburt“ stand und sie damit zu einem Nachkriegskind machte. Deutlich kam dieser Umstand beispielsweise beim späteren Rollen der Manöverpanzer zum Tragen, das sie – im Gegensatz zu vielen nur wenig älteren – beispielweise nicht erzittern ließ. Ulrike von Vormann fügte in ihre Erinnerungen auch Kriegsgeschehnisse ein, die in ihrer Familie immer präsent waren. Ihre sehr persönlichen Erinnerungen vermittelten den Anwesenden ein deutliches Bild der Nachkriegsära, die vom Miteinander der Butzbacher mit der amerikanischen „Siegermacht“ geprägt war, und sie ließ manche Ecke Butzbachs vor dem geistigen Auge des Butzbacher Publikums wieder aufleben. In ihrer Familie habe immer Einigkeit darüber geherrscht, dass so etwas wie Krieg nie wieder geschehen darf.

Die wiederum gelungene Demokratikum-Veranstaltung machte erneut deutlich, dass es sich bei „unserer Demokratie“ um ein kostbares Gut handelt, das behütet und gepflegt werden muss. Das Erinnern, das Kennen der eigenen Geschichte, ist ein wesentlicher Bestandteil davon, wie auch die Jugendlichen bezeugten. Im Museum können sich alle, die am 9. März nicht anwesend waren, verschiedene Zeitzeugenfilme in der Dauerausstellung ansehen und an den Erinnerungen teilhaben. Auf einen lebendigen Demokratiediskurs kann man sich auch bei den kommenden Veranstaltungen freuen.

Weitere Informationen: www.demokratikum.de

Das Land Hessen fördert das „Demokratikum“ in Butzbach

Das Land Hessen fördert im Jahr 2023 ein „Demokratikum“ in Butzbach über das Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“. Das „Reallabor Demokratikum“ macht das Thema Demokratie in der Innenstadt für alle erlebbar. Demokratiegeschichte rund um Friedrich Ludwig Weidig, aktuelle Fragen zur Demokratie aber auch demokratische Prinzipien in der Stadtentwicklung werden aufgegriffen und in verschiedenen Angeboten durch das gesamte Jahr des Butzbacher Stadtjubiläums sichtbar gemacht. Das Reallabor ist ein erster Schritt auf dem Weg ein dauerhaftes, festes Demokratikum in Butzbach zu entwickeln. Es fügt sich in die 1250-Jahr-Feier der Stadt Butzbach ein.

„Nie wieder Krieg“ lautete der rote Faden an dem Abend, der sich durch alle Beiträge zog.
(hinten stehend v.l.n.r.: Susanne Lindenthal (Museum Butzbach), Michael Merle (Bürgermeister Stadt Butzbach), Andrea Schreiber-Guth (Fachbereichsleiterin der Weidigschule); Foto: Friederike Haußmann