17.08.2021

Das Element Bewegung – nach Sebastian Kneipp

Es ist das Sebastian-Kneipp-Jahr, am 17. Mai 2021 wäre Sebastian Anton Kneipp 200 Jahre alt geworden. Das Kneipp´sche Gesundheitskonzept hat an Aktualität nichts eingebüßt. Die Stärkung des Immunsystems ist wichtiger denn je. Das Sebastian-Kneipp-Jahr ist auch ein Appell für ein bisschen mehr Achtsamkeit. Kneipps unbeirrbarer Glaube und seine Hartnäckigkeit, die Gesundheit nicht der Krankheit unterzuordnen, haben wir jeweils mit einem Artikel seine fünf Elemente gewürdigt.

Muskeln unsere Motoren

Der Moment unseres Erschaffens war ein hochproduktiver. Aus diesem ging ein kunstvolles Konstrukt einzelner Zellen in einem ausgetüftelten Zusammenspiel hervor. Muskeln sind in diesem medizinischen Intermezzo wichtige Protagonisten.

Sie sind Motoren mit außergewöhnlicher Interaktion. 640 einzelne Muskeln wandeln die Energie in Bewegung um. Man kann sich das wie ein Orchester vorstellen: Da sitzen Spieler, auch Agonisten genannt, in einer Reihe dahinter die Gegenspieler, die Antagonisten, und mit von der Partie sind die Mitspieler, die Synergisten. Huscht Ihnen ein Lächeln über die Lippen, sind immerhin 43 Muskeln beteiligt. Was nicht sichtbar ist: Über bestimmte Botenstoffe sind sie auch mit den Organen verbunden, rufen ihnen zu: Hallo, bitte bleibt gesund.

Egal in welchem Alter, diese Faserbündel sind bereit zu arbeiten. Use it or lose it! Benutze die Muskeln oder du verlierst sie. Was Sebastian Kneipp sich als integrales Element seiner Gesundheitslehre vorstellte, war maßvolle, aber regelmäßige körperliche Aktivität. Denn das abwechselnde Anspannen und Lockerlassen der Muskeln unterstützt die körpereigenen Abwehrkräfte. Aktivität fördert zudem Fitness und Gelassenheit und hebt die Stimmung. Leichte Bewegung heißt die Devise. Wer im Kneippschen Sinne fit werden will, muss sich nicht unbedingt im Fitnessstudio quälen. Viel besser sind Aktivitäten, die sich gut in den Alltag einbauen lassen. Regelmäßiges Walken, Morgengymnastik, Yoga, Radfahren. Treppen steigen statt den Aufzug zu nehmen. Und bloß nicht übertreiben! Ein Zuviel an Bewegung hielt Kneipp für ebenso schädlich wie ein Zuwenig.

Den Wiedereinstieg gut planen

Die Zivilisation nagt an unserer Gesundheit: Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht oder Fettstoffwechselstörungen sind Folgen von Bewegungsmangel und oftmals auch unausgewogener Ernährung. Muskelaufbau wird von den Medizinern als eine Art Impfung des Immunsystems gehandelt. Sebastian Kneipp würde jetzt ergänzen: „Je gesünder und kräftiger aber der menschliche Leib ist, um so frischer und leistungsfähiger wird auch der Geist sein.“

Muskelaufbau, Sport und Schweiß klingen für viele alles andere als erstrebenswert. Doch schon nach wenigen Bewegungseinheiten stellt sich der Aha-Effekt ein: Wenn man auf einmal seine Muskeln fühlt, wenn die letzte Treppenstufe mit Stolz statt dem Gefühl eines erschlafften Luftballons bewältigt wird oder das Spielen mit den Kindern wieder Spaß macht.

Dem Wiedereinstieg in die gezielte Bewegung geht in der Regel ein hoher Leidensdruck voraus, kann Bernd Lachmann aus Erfahrung erzählen. Der 52-Jährige aus Wölfersheim ist neunmaliger Weltmeister in der Senioren-Leichtathletik, Personal Fitness Trainer und als Übungsleiter für den Kneipp-Verein Bad Nauheim-Friedberg-Bad Salzhausen aktiv. Wer sich nach 20 Jahren wieder die ausgetretenen Joggingschuhe anziehe und mit falscher Technik seine alte Leistung abrufen wolle, werde sich keinen Gefallen tun, weiß Lachmann. Je nach Typ ist ein Gruppensport im Verein gemeinsam mit Sabine und Dieter oder aber das alleinige, vielleicht sogar leistungsbezogene Training das richtige, um nicht nach der zweiten Einheit zu kapitulieren. „Das Umfeld muss stimmen“, ist sich Lachmann sicher.

Der Erfolg, das gute Gefühl motiviert. Einer der schönsten Rückmeldungen gab ihm die Ehefrau eines Kunden, der nach einer Gewichtsabnahme auf seine Blutdrucktabletten verzichten konnte: „Können wir das nicht beibehalten? Der schnarcht nicht mehr und schläft wie ein Baby.“ Lachmann rät allen Wieder- oder Neueinsteigern, sich einem kompetenten Trainer anzuschließen. Und geduldig zu sein: „Was man in 20 Jahren verpasst hat, muss man nicht in einem Monat aufholen.“ Jeder sollte die Sportart wählen, die ihm Spaß macht.

Gesundes Arbeiten

Die Bauern führen das gesündeste Leben, meinte Kneipp: Körperliche Arbeit, frische Luft – das war ganz nach seinem Geschmack. Wenn er wüsste: Heutzutage sitzen viele Landwirte auf ihren 300-PS-starken Maschinen und schwitzen über Antragsformularen für EU-Förderungen.

Schwitzen für Kuchen

Eines hat jedoch Kontinuität: Wenn wir unseren täglichen Leistungsverbrauch kalkulieren, ist es verlockend, sich als Schwerstarbeiter einzustufen, um nachher mehr Kalorien auf der Guthabenseite zu verbuchen. Zwei Beispiele: Wer eine Stunde durch die Natur joggt, hat über den Daumen gepeilt rund 700 Kalorien verbrannt. Um ein Kilo Körperfett zu verbrennen, sind allerdings 7000 bis 9000 Kalorien notwendig. Vielleicht dann doch besser ein Stück Kuchen weniger?


(Teile des Inhalts sind auch erschienen im Magazin, Der Natur vertrauen, Kneipp Bäder 3Eck Wetterau). Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Wetteraukreises und Myriam Lenz)