03.12.2021

Ein steinerner Allrounder

Sie war lange Zeit ein stiller Riese, der das Stadtbild prägte. Jetzt fällt die Michaeliskapelle durch das Baugerüst ins Auge und soll saniert werden. Trotz sorgfältiger Recherche wissen wir noch immer nicht alles über sie. Aber eines ist klar: Sie ist ein steinerner Alleskönner!

Im Jahr 1433 spendete eine reiche Butzbacherin für den Bau der Kapelle eine größere Summe. Zwei Jahre später, am Katharinentag dem 25.11.1435, wurde die „Michael-Kapelle“ eingeweiht. Im ersten Stock sieht man noch heute die Wandmalereien der beiden dort verehrten Heiligen. Es handelt sich um die Heilige Katharina, nach der der Butzbacher Katharinenmarkt benannt ist, und den Erzengel Michael, der Namensgeber der Kapelle. Ab circa 1550 wurde die Kapelle im Zuge der Reformation nicht mehr als religiöser Ort genutzt. Das Gebäude, dessen Erdgeschoss als Friedhofskapelle und als Gebeinhaus genutzt wurde, war ein Ort der Erinnerung.

Parallel wurde sie auch als Speicher genutzt. In den oberen Stockwerken lagerte man bereits zu der Zeit, als dort noch Heilige verehrt wurden, Nahrungsmittel. Besonders nachdem die Kapelle nicht mehr sakrale Zwecke hatte, war dies ihre Hauptfunktion.

Später diente sie sogar als Feuerwehrhaus. 1617 wurde zur Griedeler Straße eine Doppeltür eingebaut; über der linken Tür zur Straße sieht man heute noch diese Jahreszahl. Für die Feuerwehrspritze der Stadt war die Kapelle zu dieser Zeit der Unterstand.

Zeitweise fungierte sie auch als Krankenhaus: Während des Siebenjährigen Krieges diente die Kapelle als Lazarett für Verwundete. Diese haben ihre Namen als Graffiti an den Innenwänden der Kapelle hinterlassen.

Ende des 17. Jahrhunderts wurde schließlich im Erdgeschoss die städtische Mehlwaage untergebracht. Das sogenannte Mehlwiegehäuschen, ein Holzfachwerkbau, der sich bis heute an die Kapelle anschmiegt, erinnert noch daran. Dort wohnte wahrscheinlich sogar bis ins 19. Jahrhundert hinein der „Mehlwieger“.

Die oberen Stockwerke wurden von den Anwohnern zudem noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts als Lager und Werkstatt genutzt.

1906 mietete der Geschichtsverein die Kapelle und das Stadtmuseum zog dort ein. Das Stadtarchiv erhielt die Räume im Erdgeschoss. Nachdem das Museum 1991 in das neue Gebäude in der Färbgasse umgezogen war, befanden sich weiterhin Objekte dort.

Aktuell mussten die Michaeliskapelle und das Mehlwiegehäuschen komplett geräumt werden.  In Absprache mit den zuständigen Denkmalbehörden des Landes und des Kreises werden die Gebäude nun untersucht und die Schäden werden dokumentiert, damit sie schließlich sinnvoll und fachgerecht saniert werden können.

Im Rahmen des Innenstadt-Förderprogramms „Lebendige Zentren der Stadt Butzbach“ wird in der nächsten Zeit ein Nutzungskonzept für die beiden Butzbacher Kleinode entwickelt. So sollen viele hundert Jahre Butzbacher Stadtgeschichte auch für künftige Generationen bewahrt werden.

Ein ausführlicher Artikel zur bewegten Bau- und Nutzungsgeschichte der Michaeliskapelle wird im Frühjahr in den Butzbacher Geschichtsblättern veröffentlicht.

Die Michaeliskapelle ist in Arbeit (Bild: R. Fanslau)