Die Stadt Butzbach und der Städtepartnerschaftsverein Butzbach e.V. hatten anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes zu einem Vortrag eingeladen.
DOKULIVE mit dem Diplom-Politologe Ingo Espenschied kam mit multimedialer Vortragstechnik in das Butzbacher Bürgerhaus. Er zeigte in einer spannenden Zeitreise die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik auf und erläuterte die Geschichte mit vielen Bildern und original Filmausschnitten. Gefördert wurde der Vortrag im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“.
Von den drei Butzbacher Schulen – Stadtschule, Schrenzerschule und Weidigschule – waren über 430 Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften der Einladung gefolgt.
Als im April 2021 das Klimaschutzgesetz durch das Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit den Grundrechten erklärte wurde, war dies eine Sensation. Aber es zeigte auch, wie unverändert aktuell das deutsche Grundgesetz ist und auf heutige Probleme wie Klimaschutz angewendet werden kann. Bei der Ausarbeitung nach dem Krieg hatte man ganz andere Probleme, das Land lag in Trümmern und es herrschte Hunger. Deutschland war verhasst, besetzt, geteilt und man hielt es für demokratieunfähig.
Drei Jahre nach dem Ende des Krieges wurden am 01.07.1948 den Ministerpräsidenten der 1946 gegründeten Bundesländern Vollmachten überreicht, einen Weststaat zu gründen. Der als „Frankfurter Dokumente“ bezeichnete Auftrag der Militärgouverneure der westlichen Siegermächte beinhaltete das Einberufen einer verfassungsgebenden Versammlung, die eine auf demokratischen Grundsätzen beruhende föderalistische Verfassung ausarbeiten sollte. Die Sowjetunion unter Stalin folgte dem nicht, damit bestand die Sorge einer dauerhaften Spaltung des Landes. So wurde die Verfassung nur als Grundgesetz bezeichnet, gedacht für einen vorübergehenden westdeutschen Staat.
Im August 1948 trat der Verfassungskonvent zusammen und ab dem 01.09.1948 tagte der Parlamentarische Rat in Bonn mit dem Ziel der Schaffung einer Verfassung für einen provisorischen westdeutschen Staat. 65 Mitglieder hatte der Parlamentarische Rat, darunter vier Frauen, die im Naturkundlichen Museum – gewissermaßen zwischen (verdeckten) Giraffen und Gorillas – sowie in der Pädagogischen Akademie über acht Monate berieten. Es herrschte Einigkeit bei den Grundrechten, dass der Staat für den Bürger da ist, und nicht der Bürger für den Staat oder die Obrigkeit. In diesem Zusammenhang und als Lehre aus den Jahren der Hitlerdiktatur ist auch Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu verstehen. Am 08. Mai 1949, genau vier Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, wurde das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat verabschiedet. Nach der Genehmigung der westlichen Militärregierungen und der Ratifizierung durch die Länder, wurde es am 23. Mai 1949 in einem feierlichen Akt verkündet und trat am Folgetag in Kraft.
Die Frage, ob das Grundgesetz eine Verfassung ist, kann man deutlich mit ja beantworten. Es ist das zentrale Dokument, das den organisatorischen Staatsaufbau regelt, Beziehungen zu anderen Staaten, das Verhältnis zu seinen Bürgern und deren Grundrechten und Pflichten. Das Grundgesetz wird auch im Ausland positiv beurteilt. Andere europäische und außereuropäische Staaten haben sich an ihm orientiert, meist junge Demokratien, die vorher eine diktatorische Geschichte erlebt haben.
In der Präambel sind die Staatsziele definiert, die Wiedervereinigung und eine friedliche europäische Gemeinschaft. Das besondere an dem Grundgesetz ist der Grundrechtekatalog von Artikel 1 bis Artikel 19 mit den Grundrechten für die Bürgerinnen und Bürger. Im Anschluss sind organisatorische Fragen festgelegt z.B. das Verhältnis von Bund zu Ländern. Eine besondere Rolle nimmt darüber hinaus das Bundesverfassungsgericht ein, das zwei Jahre später, 1951, als Hüter über das Grundgesetz seine Arbeit in Karlsruhe aufnahm. Als Garant der Demokratie und der Grundrechte, kann es von jedem Bürger, jeder Bürgerin angerufen werden, die sich in ihren Grundrechten eingeschränkt fühlen, zum Beispiel bei dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder der Pressefreiheit.
Durch die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) rückte eine gemeinsame Verfassung über viele Jahrzehnte in weite Ferne. In der DDR gab es keine Freiheit, keine Gewaltenteilung, das Versprechen bei der Gründung „Wir werden besser leben“ wurde nie erreicht. Bei den ersten Demonstrationen nur 3,5 Jahre nach der Gründung gingen bereits 1,5 Mio. Ostdeutsche auf die Straße. Diese wurde mit sowjetischen Panzern niedergeschlagen. Insgesamt fliehen mehr als 2 Mio. Menschen in den Westen und es sterben über 1000 Menschen an der deutsch-deutschen Grenze, bis 1989 die Mauer fällt. Die Bevölkerung der DDR demonstriert nun nicht mehr nur „Wir sind das Volk“, sondern auch „Wir sind ein Volk“. Die Volkskammer der DDR stimmt am 23.08.1990 für eine schnelle Wiedervereinigung nach Artikel 23 des GG. Dieser Artikel war ursprünglich für den Anschluss des Saarlandes an Deutschland gedacht (1955), doch er wurde auch für Ostdeutschland und den zügigen Zusammenschluss angewendet. Seit dem 03.10.1990 ist Deutschland ein unabhängiges Land, das nicht mehr unter den Siegermächten des 2. Weltkrieges steht.
Nach einer anschließenden Fragerunde endete der Vortrag von Ingo Espenschied mit dem Hinweis, dass in einer Demokratie die Bevölkerung herrscht. Das ist ein hohes Gut. Die Freiheit und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger die uns das Grundgesetz garantiert, müssen wir leben und auch anderen die Grundrechte gewähren.